ups – da habe ich den falschen Knopf erwischt gehabt und es erst heute beim Wechsel Wi-Sommerzeit gemerkt – eigentlich sollte zu diesem Beitrag eine Radiosendung ueber DDR-Kassetten abgeladen werden, gleichzeitig mit dem Beitrag – habe sie aber in der Zwischenzeit verlegt… kommt dann noch
Seit Wochen jetzt schon suche ich hier in meinen Kisten Kaesten und Schraenken nach diesem einen Lichtbild, das unsere Baend im Konzert vor einem sehr jugendlichen DDR-Publikum zeigt, wenn ich mich nicht irre, hiess das Ding “Insel der Jugend” und war in Ostberlin. Ich finde es im Moment grad nicht. Macht nix: Erstens hat dieser Blog hoechstens 20 regelmaessige Leser (PC: “Lesende”, knarz), zweitens schreibe ich das hier sowieso fuer die Suchmaschinen, sprich: Die Archive (knarz…). Mit anderen Worten: Ein Beitrag koennte jederzeit ergaenzt werden! Und das Bild nachtraeglich eingefuegt werden. Bis es soweit ist, beschreibe ich es in zwei kurzen Saetzen.
Satz 1: Eben, ein sehr junges Publikum, 5 Dutzend sinds ungefaehr, rechts im Bild, eine Band links im Bild, dazwischen viel Parkettboden, vielleicht 5 Meter.
Satz 2: Niemand schaut aus, als ob er sich wahnsinnig wohl und unverkrampft fuehlte. Auch die Band nicht.
In der DDR hatten wir vor der Wende ein paar Mal gespielt, an eine Szene kann ich mich noch sehr gut erinnern, ob es dort in Berlin-Ost oder spaeter in einer der Staedte der DDR war: Die Garderobe, das Catering aus Kommissbrot, saeuerlicher Salami und saeuerlichem Bier (ein paar Flaschen, das fuer eine Band mit Schlagzeuger!) – wir hatten schon schlimmeres erlebt, etwa die ewigen Pizza, Chilis, Spaghetti oder Heissen Seelen in einigen Jugendzentren im Sueden Deutschlands. Was wir allerdings noch nie gesehen hatten: Ploetzlich durchquert ein Grueppchen schlecht gekleideter mittelalterliche Herren mit Unfrisuren und Aktenmaeppchen die Bandgarderobe, begleitet von einem unserer Organisatoren. Ich will jetzt da nichts hineininterpretieren, aber das gemuese- und fruechtelose Fleischcatering, diese Herren mit den Schaeuble-Frisuren und den Maeppchen an einem Samstagabend in den Hinterzimmern eines Jugendzentrum, diese Szenerie hat sich in meinem Gedaechtnis festgesetzt.
In der DDR zu spielen war zwar verlockend, grad weil so viele Huerden zu nehmen waren: ueberhaupt Veranstalter finden, fruehzeitig Visum organisieren, Reiseroute und -Zeiten unter Androhung empfindlicher Strafen einhalten; die staendige Angst vor schlaumeierlichen Auslegungen des Rechts, wie wir sie einmal auf der Transitstrecke nach Berlin erlebt hatten. Da hatte der Fahrer versehentlich eine der Haltebuchten angesteuert, die irgendwie wohl verboten war, jedenfalls wurden ihm aus einem unvermittelt hinter Hecken aufgetauchten Streifenwagen Zeichen gegeben, die er missdeutete, jedenfalls legte er – auf dem Rastplatz – den Rueckwaertsgang ein. Das kostete eine empfindliche Busse, wegen “Rueckwaertsfahren auf der Autobahn”! Da kann man sich gut vorstellen, wie wir spaeter zitterten, als wir uns mal auf der Transitstrecke verfuhren und ploetzlich durch dunkle, fuer uns verbotene Doerfer kamen und am Schluss in Ostberlin landeten, allerdings von hinten statt wie vorgesehen von vorne, von West nach Ost. Das haette sauteuer werden koennen…
Vom Essen und vom Kotzen
Teurer kam uns das Essen in der DDR zu stehen. Ich selber war zwar mit damals noch mit einem Pferdemagen gesegnet und konnte gar nicht genug von den 1-DM-Bruehwuersten, Soljanka oder Hirschpfeffer mit Saettigungsbeilage kriegen. Die 1-DM-Bruehwuerste gab’s am Autobahnimbiss, sie schmeckten zwar ein wenig seifig, waren aber schoen saftig, und Senf war unlimitiert, ich leistete mir gleich zwei davon. Unser Schlagzeuger, ebenfalls ein Freund der Autobahngastronomie, liess es bei der einen Wurst bewenden. Und wir fuhren weiter unserem Ziel entgegen, Berlin West. Ploetzlich beginnt Tom, der Drummer, in allen Farben zu schillern, von gruen nach grau nach weiss – ein Herrenausstatter empfahl mir kuerzlich einen schoenen Anzug als ‘schlammfarben’, ich glaube, damit laesst sich das Tom’sche Farbspektrum perfekt beschreiben. Bis er dann nach einiger Zeit nur noch weiss war. Und wir das Berliner Konzert notfallmaessig absagen mussten. Das hiess auch: Kein Catering, keine Gage, kein Schlafplatz! Ein voller Bandbus, ein kotzender Drummer, der um ein Bett richtiggehend flehte.
Als Ortsunkundige suchten wir in einem Quartier mit engen Straesschen also notfallmaessig ein billiges Hotel. Bei der naechsten Eckkneipe erkundigten wir uns nach Adressen. Wir sind der Wirtin noch heute dankbar: Einen kurzen Blick auf den oszillierenden Tom, die Frage an eine ihrer Bardamen, “die Lotte kommt doch heute nicht, oder?”, und schon zeigte sie uns ein Zimmer, das wir fuer 100 Mark mieten konnten. Es bestand vor allem aus einem grossen Bett und viel schummrig-rotem Licht. Sehr aufregend fuer uns kleine Schweizer.
Wie gesagt, das alles wegen einer 1-DM-Seifenwurst.
Ostbands und Westbands
Spaeter haben wir dann auch kurz nach der Wende in der immer-noch-DDR gespielt, da war dann einiges anders. Vor allem waren Westbands ploetzlich gar nicht mehr gefragt, wir erlebten ploetzlich, dass sich das Publikum wie ein Mann von der Buehne abwendete, und wir sahen nur noch Ruecken! Bahnhoefe wurden zu No-Go-Zones, auch am hellichten Tag – die ersten Anzeichen der ‘national befreiten Zonen’ der Ostnazis.
Derweil in der Schweiz wurde die unabhaengige DDR-Musikszene kurzzeitig zu einem Liebling von DRS 3. Vor der Wende hatte Kultmoderator Dani Hitzig seinen DDR-Kollegen Lutz Schramm von der Sendung ‘Parocktikum’ zu einer Schweizer Tournee eingeladen, die sich vor allem in Zuerich abspielte und den Bands wie Herr Blum oder AG Geige fuer kurze Zeit Tuer und Tor der Roten Fabrik oeffnete.
Die AG Geige hatten wir bei einem unserer Konzerte in Karl-Marx-Stadt getroffen. Was waren wir doch stolz, in einer Stadt mit einem so prominenten Namen spielen zu duerfen, ich hatte extra meine selbstgemachte Jeansjacke angezogen, um kleidermaessig nicht aus dem Rahmen zu fallen, und auch sonst war uns keine Muehe zu viel – dass wir wegen Visaproblemen schon um 22 Uhr gen Westgrenze zurueckbrettern mussten, etwa, um vor Mitternacht auszureisen. Beim zweiten Mal dann brauchte man schon kein Visum mehr, die Grenze war offen, und ich liess auch den proletarischen Look fallen. Noch hoerten die Leute uns zu, noch sahen sie uns an, noch kamen sie in Buehnennaehe. Noch war das gegenseitige Interesse gross.
Keine Ahnung, was aus der Kunstgalerie geworden ist, die uns in Karl-Marx-Stadt/Chemnitz buchte; keine Ahnung, was aus den Protagonisten von damals, wie Lutz Schramm oder AG Geige, geworden ist. Ich habe jedenfalls immer noch den groessten Respekt vor diesen Leuten, die unter widrigsten Umstaenden produzieren mussten. Die widrigen Umstaende sieht man etwa den Kassetten an, die ich damals aus der DDR zugeschickt erhielt: flaue Fotokopien, sauteure Baender aus den volkseigenen Betrieben, so um die 20 Mark die Kassette, kaum legale Auftrittsmoeglichkeiten. Eine Kassette der Leipziger Punk-Band L’Attentat etwa erwaehnt Auftrittsorte wie Geburtstagsparties oder einen Polterabend der Erloesergemeinde!
Platzhalter fuer die Radiosendung mit DDR-Tapes, sobald ich die wieder finde, lade ich sie hier ab (ist erledigt).