Eigentlich habe ich absolut keine Zeit, diesen Beitrag zu schreiben. Blöderweise habe ich grad vorhin zum Arbeiten das Radio eingeschaltet, nach ein paar Minuten schon lässt mich ein Sound aufmerken und ich mich ablenken. Kraftvolle Analog-Synths, Riffs und Klippen statt Wellen – das ist gut. Ich gucke in die Playlist, es ist das …. Sound 8 Orchestra.
Ich bin ja erklärter Fan des Langusta-Labels, seit ca. einer Woche. Steht alles im vorhergehenden Beitrag. Nun noch der Bericht vom Festival, Langustapalooza vom vergangenen Samstag.
Normalerweise liege ich nach dem Ausgang drei Tage flach. Nicht diesmal. Vielleicht weil ich mich vom Bier fernhielt? Denn diese Plörre, die sie im Gaskessel servieren, mir total unverständlich, ich ertrage sie jedenfalls nicht. Oder war es, weil ich schon um 3:30 zu Hause war und deshalb nur den ganzen Sonntag darniederlag? Oder vielleicht habe ich mich geschämt, weil ich die Teh’bak Nation nach ihrem Konzert frei von der Leber weg zusammengeschissen habe?
Teh’bak Nation
Tja, damit wäre ein Punkt bereits abgehakt. Teh’bak Nation, auf Platte ein grosses Vergnügen, die Zutaten sind wohl funky, kann es nicht beurteilen, ich bin ja mehr der Melodiker. Wir Melodiker lieben die Fremdsprache der Nation, wie Magma haben sie diese wohl selber erfunden. Andere Spinner fahren auf das Visuelle ab, Chinahüte, Skidress, Skimaske, Sonnengesicht, irgendwann kommt noch ihr leiblicher Vater auf die Bühne und schreit rum. Es hat etwas melancholisches, das Rumzucken, das plötzlich erstarrt – nur leider dauert die Starre auf der Bühne eindeutig zu lange, ihr Auftritt war circa doppelt so lang wie der der anderen Bands. Schade. Aber so ist das bei Risiko.
Teh’bak Nation – unbedingt die Platte kaufen, so es eine gibt.
The Monsignores
Punkt 22:30 die erste Band des Abends, The Monsignores. Mit Verspätung, egal. Der angedrohte pünktliche Beginn wurde von allen als das genommen, was es auch sein sollte, ein lahmer Versuch eines Witzchens. Und so war zu dieser Zeit nicht mal der Gaskessel richtig geöffnet.
The Monsignores können nichts mehr falsch machen; die Bo-Diddley-Kartonschachtel-Gitarre von Monsignore Tristan klingt einfach erstaunlich für so ein sauber geputztes Instrument, wie etwa deren drei. Man meint sogar einen Bass zu hören. Das könnte dem Schlagzeug von Monsignore Dies zuzuschreiben sein, die Lokomotive, dabei raucht er nicht einmal. Und dann der alte Sänger, Monsignore Bucher, unterdessen schon in seiner dritten Karriere, nach Jungspund bei den Spätpunks, tief grollender Schreihals bei einer richtigen Band, I Madman (Warner Brothers), nun zurück In The Garage. Der Bombast klingt immer noch an, aber grad im richtigen Mass. Normalerweise hasse ich Bands, die “Brand New Cadillac” covern – die Monsignores allerdings treffen genau zwischen die trockene Version der Clash (ich glaub, sie spielten auch deren Riff, oder?) und das Pathos des Raï, welcher jetzt grad bei meiner Radiostation La Triperie läuft.
Monsignore Tristan spielte an diesem Abend bei drei Bands mit (von fünf). Diese hier gehört unterdessen eindeutig zu seinen grossen Stärken. Eine LP wäre schön.
Stude
Stude, dem ich in schon fast peinlicher Weise zu huldigen pflege, weil ich einfach seine Texte, seine Bühnenpräsenz, sein Bassspiel, überhaupt seine Songs äusserst gut finde, Stude also taufte an diesem Abend seine CD. Die Band war vielleicht ein bisschen unterübt, als Kenner musste ich mehrere Einsätze, Übergänge und was der Intarsien mehr sind beanstanden. Dafür aber wurden wir schadlos gehalten durch eine perfekt zu Studes Art passende Sängerin, überkandidelt in ihrer eigenen Welt, Schmutzflecken an den Knien ihres weissen Trainers, sie kann grosse wie kleine Bühnen, ihr egal. Wunderbar. Bei Stude möchte ich einfach den perfekten Strassenarbeiterleuchtdress hervorheben, zur Musik habe ich schon mehrfach alles gesagt. Allerdings war der Auftritt, für mich jetzt, der es eben gut kennt, durch einen unglaublichen Höhlenmix während der Hälfte der Zeit eine Qual. Es schien die Band nicht zu stören – finde ich wieder spitze, die meisten hätten wohl ewig rumgeknatscht (“mehr Gitarre auf die Monitore”…. ok, es hatte keine Gitarre).
Old Shaggy Europe
Das Highlight des Abends waren Old Shaggy Europe, die mir schon auf dem Langustapalooza-Sampler sehr gefallen hatten. Überraschung: Hier handelte es sich um Tristan, natürlich, und Louis Kroll, am Bass ein Musiker der Byrds. Ok, nein, nur die Sonnenbrille war von den Byrds, der Bassist war Roman Nowka, hier erwähnt weil er eigentlich ein richtiger Musiker ist, Jazz und so. Hier begnügte er sich mit einem knackigen Bass, perfekt waagrecht gehalten, grad ein wenig oberhalb der Körpermitte, leicht hohlwangig, ein schlacksiges Kreuz, aus der Ferne gesehen. Ich glaube, die paar anwesenden Damen waren ziemlich angetan.
Musik, so sie auf der Bühne stattfindet, wird mit den Augen gehört.
Old Shaggy Europe also, keinesfalls verpassen, falls sie mal in euer Dorf kommen. Was eventuell selten der Fall sein könnte, Louis Kroll spielt glaubs noch immer unter seinem richtigen Namen beim Schweizer Mädchenwunder Sophie Hunger mit. (Darf man Mädchenwunder sagen? Oder ist das jetzt abwertend? Wenn eine Diplomatentochter dermassen mit ihrer Biographie hausieren geht, Paris London New York New Delhi oder was weiss ich, dabei aber in den Videos als hochhackige Fussballspielerin im Sommerkleidchen in der grossen Stadt demonstriert, was Fallhöhe ist – ja, wenn jemand so mit diesen Bildern spielt, dann muss man Mädchenwunder sagen…. so, das Thema auch durch hier, gut).
Zur Musik von OSE: Bitte auf dem Sampler anhören, live waren sie genau so wie auf Platte. Grossartig.
Sound 8 Orchestra
(Photo Augusto Cesar -> Facebook)
Bleibt noch Sound8Orchestra, eigentlich ein Ein-Mann-Projekt aus Nidau und Berlin mit zusätzlichem Personal, einem Schlagzeuger, einem Filmprojektoroperator und dem Mann selber mit 2 Korg, sonstigen altmodischen Tasteninstrumenten, einer blitzblank geputzten roten Fender Jaguar, einem hässlichen MacBook und fantastischen Tracks. Kauft die Platten! Da ist nichts dem Zufall überlassen, Passagen werden übereinander und nebeneinander gelegt und verschoben, vorhersehbar unvorhersehbar. Analoge Knallersynthies bis zum Anschlag, ich kenne eigentlich nichts vergleichbares. Mag an mir liegen, ich gebe zu, bin nicht so orientiert über die neusten Tendenzen in der Vintage Szene.
Allerdings fand ich es live weniger einnehmend als auf Platte, die Filmprojektionen mögen vor 10 Jahren eine revolutionäre Idee gewesen sein; die Installation allerdings dauert einfach zu lange, und der Effekt ist im Zeitalter von Youtube nicht mehr so grossartig. Auf der grossen Bühne verpufft er ganz einfach.
Zusammenfassung
Bitte mehr davon.
Und: Wenn mir etwas gefällt, dann wird es unangenehm für die Gefallenen. Denn ich war überzeugt, der Gaskessel wird bumsvoll sein. Fucking squares. Hehehe, we were there!